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Studium generale

Das rechtliche Geschlecht zwischen Fremd- und Selbstbestimmung.

Anna-Katharina Mangold, Professur für Europarecht an der Europa-Universität Flensburg

Wann: 10. Januar 2024, 19-21 Uhr
Wo:
Hörsaal des IMGWF in der Königstraße 42 in Lübeck

Die rechtliche Zuordnung von Geschlecht hat eine wechselvolle Geschichte. Von der Fremdzuordnung durch Dritte – Medizin, Psychiatrie, Biologie – über die allmähliche Anerkennung, dass Dritte das empfundene Geschlecht nur mittelbar feststellen können, durch Aussagen der betroffenen Person selbst, bis hin zu einer konsequenten menschenrechtlichen Ausgestaltung der Geschlechtsidentität war es ein langer Weg. Naturwissenschaftliche Fremdbeschreibung von Körpern einerseits, gesellschaftliche wie schließlich rechtliche Anerkennung der selbstempfundenen Geschlechtsidentität andererseits standen seit jeher in einem spannungsvollen Wechselverhältnis. Die jüngsten Kämpfe um das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz belegen das eindrücklich. Der Vortrag zeichnet die rechtlichen Entwicklungen nach und legt dabei den Fokus auf das Verhältnis von Natur- und Lebenswissenschaften zu rechtlichen Rahmengebungen, fragt aber auch umgekehrt danach, welche Wissensbestände rechtliche Regulierungen heranziehen und zugrunde legen. Sichtbar wird eine wechselseitige epistemologische Konstituierung der natur- und lebenswissenschaftlichen Disziplinen und der rechtlichen Regulierungen.

 

Prof. Dr. Anna Katharina Mangold, LL.M. (Cambridge), ist Rechtwissenschaftlerin und Professorin für Europarecht an der Europa-Universität Flensburg. Sie forscht und publiziert zu Fragen der rechtlichen Geschlechtsanerkennung, zur Gleichstellung von Frauen, zum Antidiskriminierungsrecht sowie zu Geschlechtervielfalt in der Demokratie- und Politiktheorie. Als Verfassungsrechtsexpertin hat sie in parlamentarischen Ausschüssen mehrfach Stellung genommen, unter anderem zur Umsetzung der Dritten-Option-Entscheidung im Personenstandsgesetz, zur Aufnahme eines Diskriminierungsverbots aufgrund der Geschlechtsidentität im Grundgesetz und zu Gesetzgebungsvorschlägen für Selbstbestimmungsgeschlechtergesetze. Sie ist Mitglied (u.a.) in der Gesellschaft für Rechtsvergleichung, der Fachgesellschaft Gender Studies, des Deutschen Juristinnenbundes und dort Vorsitzende der Kommission Europa- und Völkerrecht und gehört dem Beirat der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld an. 2021 erschien von ihr der Band Demokratische Inklusion durch Recht. Antidiskriminierungsrecht als Ermöglichungsbedingung der Begegnung von Freien und Gleichen (Tübingen), 2022 in der Zeitschrift für Rechtspolitik der Aufsatz „Menschenrechtlich gebotene geschlechtliche Selbstbestimmung“ sowie 2020 in der Zeitschrift für Menschenrechte der Beitrag „Vom pathologisierenden zum selbstbestimmten Geschlechtsmodell. Eine grundrechtskonforme Auslegung von ,Varianten der Geschlechtsentwicklung‘ im deutschen Personenstandsrecht“ (gemeinsam mit M. Marwald und C. Röhner). Zusammen mit Christoph Rehmann-Sutter leitet Anna Katharina Mangold im Sonderforschungsbereich (SFB) „Sexdiversity“ das Teilprojekt (S05) „Normative implications of human rights of persons with DSD in a non-binary legal world“.