In der Geschichte der Hirnforschung hat die Aussicht auf die Visualisierung von Hirnprozessen immer wieder große Erwartungen geweckt. In dieser Studie konzentriert sich Cornelius Borck auf ein Registrierungsverfahren, das der deutsche Physiologe Hans Berger entwickelt hat, um elektrische Hirnströme zu registrieren; eine Technik, die es dem Gehirn ermöglichen sollte, in seiner eigenen Sprache zu schreiben, und die die Funktionsweise des Gehirns offenbaren sollte. Borck zeichnet die zahlreichen widersprüchlichen Interpretationen der Elektroenzephalographie nach, von Bergers Experimenten und der Veröffentlichung des ersten menschlichen EEG 1929 bis zu ihrer internationalen Verbreitung und Konsolidierung als klinisches Diagnoseverfahren in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Borcks These ist, dass die Sprache des Gehirns je nach den lokalen Untersuchungskulturen spezifische Konturen annimmt, aus deren widersprüchlichen Ansichten ein neuer wissenschaftlicher Gegenstand hervorging: das elektrische Gehirn. Die Neurowissenschaften sind ein enorm produktives Forschungsgebiet, man denke nur an die aktuellen Fortschritte im Bereich der Bildgebung. Das war bereits abzusehen, als das Buch 2005 in deutscher Sprache erschien (Hirnströme – Eine Kulturgeschichte der Elektroenzephalographie, Göttingen: Wallstein Verlag). Der Preis „Geisteswissenschaften International“ des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels hat eine Übersetzung genau zum rechten Zeitpunkt möglich gemacht. Als Archäologie des elektrischen Gehirns liefert diese Kulturgeschichte der Elektroenzephalographie liefert eine Fallstudie darüber, wie sich Hirnforschung mit neuen Technologien auseinandersetzt, wissenschaftliche Experten inspiriert und ein großes öffentliches Publikum in ihren Bann zieht.
Cornelius Borck, 2018. Brainwaves: A Cultural History of Electroencephalography