* 5. Mai 1941, † 14. Januar 2025
Dietrich v. Engelhardt entstammte einer baltischen Adelsfamilie. Er wurde 1941 in Göttingen geboren. Sein Vater Wolf v. Engelhardt war Wissenschaftlicher Assistent am Mineralogischen Institut der Universität Göttingen, bevor er 1958 als Ordinarius nach Tübingen berufen wurde. Dietrich v. Engelhardt beendete deswegen die Schulausbildung in Tübingen und begann dort zu studieren, zunächst Mathematik und Chemie, dann Philosophie, Geschichte und Slavistik. Weitere Studienstationen waren München und Heidelberg, wo er 1969 im Fach Philosophie mit der Arbeit Hegel und die Chemie. Studie zur Philosophie und Wissenschaft der Natur um 1800 promoviert wurde.
Schon sein Studium war also breit interdisziplinär angelegt – und noch im Alter hat Dietrich v. Engelhardt gern verschmitzt darauf hingewiesen, dass er anschließend zunächst in einem Forschungsprojekt am Institut für Kriminologie in Heidelberg tätig war, sogar eine kriminaltherapeutische Ausbildung absolviert und eine Sprechstunde für Haftentlassene aufgebaut hat. Ab 1971 war er parallel auch Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Heidelberg, das damals von Heinrich Schipperges geleitet wurde. Darüber habilitierte er sich 1976 an der Fakultät für Naturwissenschaftliche Medizin mit der Arbeit Historisches Bewußtsein in der Naturwissenschaft von der Aufklärung bis zum Positivismus und wurde noch im selben Jahr zum Professor ernannt. Im Zuge des Ausbaus der Medizinischen Akademie Lübeck zur Universität wurde er 1983 als Gründungsdirektor eines neu einzurichtenden Instituts für Medizin-und Wissenschaftsgeschichte an die Universität zu Lübeck berufen. Dieses Institut leitete er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2006 mit Leidenschaft und führte es zu großer nationaler wie internationaler Ausstrahlung. In Lübeck wurde er zum Dekan der Medizinischen Fakultät gewählt und war von 1993 bis 1996 Prorektor der Universität. Nach seiner Emeritierung war er 2007 Senior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald und übernahm von 2008 bis 2011 kommissarisch die Leitung des überraschend verwaisten Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Technischen Universität München, dessen Fortbestehen er dadurch sicherte.
Neben seinen vielen wissenschaftlichen Interessen hat Dietrich v. Engelhardt sich besonders für den Aufbau der Medizinischen Ethik in Deutschland engagiert. An der Universität zu Lübeck hat er die Ethikkommission sowie das Ethikkomitee aufgebaut und geleitet, von 1998 bis 2002 war er Präsident der Akademie für Ethik in der Medizin, noch bis zu seiner Emeritierung hatte er das Amt des Vizepräsidenten des Landeskomitees für Ethik in Südtirol.
In Lübeck ist Dietrich v. Engelhardt ganz besonders mit dem von ihm ins Leben gerufenen Studium Generale hervorgetreten, zu dem er renommierte Referentinnen und Referenten für Lübeck gewinnen konnte und das bis heute fortgesetzt wird. Parallel engagierte er sich in der Possehl-Stiftung, gehörte zum Stiftungsvorstand und war Vorsitzender der Jury beim Possehl-Musikpreis. Für alle, die daran teilnehmen durften, wurden seine kulturhistorischen Exkursionen und medicokulturellen Wochenenden zur Quelle bleibender Erinnerungen. Dietrich v. Engelhardt hat über 40 Promotionen betreut und zum erfolgreichen Abschluss geführt – aber er hat auch über 500 Sprachprüfungen in verschiedensten Sprachen abgenommen, wenn Studierende der Universität zu Lübeck entsprechende Zeugnisse für einen Auslandsaufenthalt benötigten.
Bis zu seinem plötzlichen Tod war Dietrich v. Engelhardt unermüdlich wissenschaftlich mit Publikationen und Vorträgen aktiv. Im Kant-Jubiläumsjahr hat er im August 2024 beim Naturwissenschaftlichen Verein in Lübeck einen Vortrag über „Kant und die Medizin. Ein Leben mit der Krankheit“ gehalten. Seine Publikationsliste verzeichnet mehr als 800 Veröffentlichungen, einen Schwerpunkt nehmen dabei die vielfältigen Beziehungen zwischen Medizin, Literatur, Kultur und Philosophie ein. Seinem inzwischen in zweiter Auflage vorliegenden fünfbändigen Opus Magnum Medizin in der Literatur der Neuzeit (Heidelberg: Mattes Verlag, 2021) ließ er kurz darauf die vierbändige Darstellung Medizin in Romantik und Idealismus (Stuttgart: frommann-holzboog, 2023) folgen, und noch im Herbst vergangenen Jahres ist sein Buch Goethe als Naturforscher im Urteil der Naturwissenschaft und Medizin des 19. Jahrhunderts (Heidelberg: Metzler, 2024) erschienen.
1995 wurde Dietrich v. Engelhardt in die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina gewählt. 2016 erhielt er die Alexander von Humboldt-Medaille der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte und im Oktober 2024 die Hans-Prinzhorn-Medaille der Deutschsprachigen Gesellschaft für Kunst & Psychopathologie des Ausdrucks.
Dietrich v. Engelhardt war mit Ulrike v. Engelhardt, geborene Aschoff, verheiratet. Gemeinsam haben sie fünf Kinder.
Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.