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Aktuelles

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Medikamentenversuche in den 1950er bis 1970er Jahren und die Verantwortung in der Gegenwart

Online-Workshop für Studierende aller Fachrichtungen am 18. Januar 2022

18:00 c.t. – 21:00 Uhr

 

„Offenbar passten wir Heimkinder nicht in das Gesellschaftsbild der Wirtschaftswunderzeit, weshalb man uns der Öffentlichkeit entzog, stattdessen dienten wir als gewinnmaximierende Versuchsobjekte der Pharmaindustrie wie auch als medizinische Anschauungsobjekte für die Ärzteschaft“

– aus „Sechs Jahre in Haus F“ von Günter Wulf –


Im Auftrag des Sozialministeriums des Landes Schleswig-Holstein hat das Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung der Universität zu Lübeck Ende 2020 einen umfassenden historischen Bericht über die Medikamentenversuche in den 50er bis 70er Jahren vorgelegt, welcher auf den Auswertungen von zeitgenössischen Fachpublikationen sowie Aktenüberlieferungen basiert. Der Bericht zeigt, dass damals in verschiedenen Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrien in Schleswig-Holstein Wirkstoffe und neue Medikamente erprobt und Anwendungsbeobachtungen durchgeführt wurden. Die Versuche waren unfreiwillig und führten für die Betroffene zu großem Leid. Eine auch zur damaligen Zeit ethisch geforderte, seither gesetzlich vorgeschriebene Aufklärung über mögliche Folgen blieb aus. Eine Einwilligung über die medizinischen Eingriffe bei der Medikamentenforschung durch die Betroffenen bzw. deren gesetzlichen VertreterInnen lag nicht vor. Ähnliche Berichte aus derselben Zeit gibt es von anderen Orten der Bundesrepublik und auch aus der Schweiz.

Dieser Befund aus der Psychiatriegeschichte der Nachkriegszeit wirft eine Reihe von aktuellen Fragen auf. Wie muss man mit dieser Vergangenheit umgehen? Was bedeutet es, „historische Verantwortung“ zu tragen? Was brauchen die damaligen Opfer heute? Diese und weitere Fragen stehen im Zentrum der Diskussionsveranstaltung, zu der alle interessierte Studierende herzlich eingeladen sind.

Der Abschlussbericht des medizinhistorischen Forschungsprojekts steht auf der Seite des Schleswig-Holsteinischen Sozialministeriums zum Download bereit. Der NDR hat dem Bericht eine Sendung gewidmet, die hier anzusehen ist.

Die Erfahrungen in den Einrichtungen der Psychiatrien und Behindertenhilfen erfordern einen sorgfältigen Umgang in Hinblick auf die historischen als auch auf die ethischen Dimensionen. Es stellen sich Fragen des Respekts und der Gerechtigkeit gegenüber den Opfern. Beim Workshop wird der Betroffene von Medikamentenversuchen Günter Wulf (Autor des Buches Sechs Jahre in Haus F), sowie Dr. Barbara Mensing (Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie für Innere Medizin – Sozialmedizin) vortragen. Prof. Dr. Christoph Rehmann-Sutter (Bioethiker, Universität zu Lübeck) wird in die ethischen Aspekte dieser Thematik einführen. Zur Veranstaltung sind interessierte Studierende aus allen Studiengängen eingeladen.

Achtung: Die Veranstaltung findet online statt. Eine Teilnahme an der Veranstaltung ist mit diesem Link möglich.