Skip to main content

Kulturen des Wahnsinns

Schwellenräume der urbanen Moderne 1870 – 1930

DFG-Forschungsgruppe gefördert von 2009 bis 2015

Moderne Gesellschaften unterscheiden sich von anderen im Umgang mit dem Wahnsinn. Ganz gleich, ob man mit Michel Foucaults die Neuzeit mit dem Ausschluss des Nicht-Vernünftigen aus Reich und Regierung des Vernünftigen beginnen lässt oder die Geschichte der Psychiatrie mit der Freilassung und Sonderbehandlung der Irren ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts, stimmt die psychiatriehistorische Forschung den zeitgenössischen Psychiatern zu, dass am Ende des 19. Jahrhunderts eine massive Zunahme der in Anstalten untergebrachten und von der Psychiatrie behandelten Menschen zu beobachten war: Die Moderne des 19. Jahrhunderts und insbesondere die moderne Großstadt, wie sich sie damals herausbildete, hatte Wahnsinn in einem bis dahin nicht gekannten Maße hervorgebracht.

Die Forschergruppe „Kulturen des Wahnsinns: Schwellenphänomene der urbanen Moderne“, die von 2009 bis 2015 von der DFG gefördert wurde (FOR 1120), hat als interdisziplinärer Verbund jene Diskurse, Praktiken und Techniken untersucht, mit denen der Wahnsinn zwischen 1870 und 1930 in die Gestaltungen und Vielfalt unseres modernen Verständnisses ausdifferenziert wurde. Das Forschungsprojekt fokussierte auf die historisch-epistemologische Topographie jener Schwellenphänomene, die den Wahnsinn als urbanes Phänomen in seinen diskursiven, institutionellen und medialen Dimensionen entfalten.

Gemeinsam mit Armin Schäfer (damals FU Hagen, jetzt Ruhr-Universität Bochum) hat Cornelius Borck in der zweiten Förderphase der Forschungsgruppe das Teilprojekt „Dokumente des Wahns: Fabulieren und Querulieren in Literatur und Psychiatrie“ geleitet, das am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin angesiedelt war. In dem Projekt wurde von Sonja Mählmann, Sophia Könemann und Novina Göhlsdorf anhand von Ego-Dokumenten, literarischen und psychiatrischen Texten untersucht, wie Fabulieren und Querulieren als zwei Kategorien des Wahnsinns zwischen 1870 und 1930 etabliert, ausdifferenziert, kritisiert und schließlich wieder verworfen wurden. Im Rahmen des Projekts hat in Lübeck vom 21.-23.3.2013 der internationale Workshop „Wahnsinn und Methode: Notieren, Ordnen, Schreiben in der Psychiatrie“ stattgefunden, aus der die Publikation Das psychiatrische Aufschreibesystem hervorgegangen ist.

Mehr Informationen zum Forschungsprojekt finden Sie hier.