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M-Projekte

Molekulare Faktoren und Mechanismen

Die naturwissenschaftlichen M-Projekte konzentrieren sich auf die Analyseebenen von den Zellen bis zu den Organen. Dabei werden die genetischen Schalter der Geschlechtsentwicklung identifiziert, das Genom und das Transkriptom sowie die hormonelle und metabolische Aktivität und Rezeptivität im Zusammenhang mit der Entwicklung und der Körperzusammensetzung analysiert.

Was sind die Determinanten, Bedeutungen und Auswirkungen des biologischen Geschlechts (englisch „sex“) auf molekularer Ebene? Die Forschung zeigt, dass die geschlechtsspezifische Ausprägung von Genen und von Hormonspiegeln, die an der Gestaltung des Phänotyps beteiligt sind, sehr variabel ist und dass diese Vielfalt sowohl auf genetische als auch auf hormonelle Entwicklungsprogramme zurückzuführen ist. Die meisten Autor*innen gehen jedoch davon aus, dass es nur zwei Geschlechter gibt, und arbeiten bei der Aggregation und Interpretation der Daten ausschließlich mit binären Kategorien. Indem die M-Projekte eine a priori binäre Kategorisierung von Geschlecht vermeiden und DSD als ein zu untersuchendes System auffassen, werden sie die Bedeutung der in der Geschlechtsentwicklung involvierten Faktoren und deren Konsequenzen für Geschlechtervielfalt aufklären. Die Projekte werden sich hauptsächlich auf extragenitale Zellen und Organe konzentrieren, um die Variabilität der Geschlechtsausprägung in der extragenitalen Entwicklung im Laufe der Zeit hervorzuheben und um die Grundlage für weitere Studien zu spezifischen geschlechtsbezogenen Unterschieden in der Ätiologie und Pathogenese von Volkskrankheiten zu schaffen.

M01: The single cell transcriptional and chromatin landscape of sex differentiation and the role of the androgen pathway in extra-genital somatic tissues

Im Rahmen dieses Projekts wird ein Transkriptions- und Chromatin-Atlas der geschlechtsspezifischen Diversität der somatischen Gewebedifferenzierung mit Einzelzellauflösung in zwei Mausmodellen erstellt: der TFM (testikuläre Feminisierung) und der CYP17KI-Maus. Wir erwarten ein Einzelzell-Transkriptom-basiertes Modell der Verteilung und des Ausmaßes somatischer geschlechtsspezifisch differenzierter Zelltypen und Geweben in Mäusen. Diese Informationen werden wir auf den menschlichen Körper übertragen, um das Verständnis und das Bewusstsein für die Komplexität der Geschlechtsentwicklung einschließlich spezifisch unterschiedlicher somatischer Gewebe und Zellen zu verbessern.

Prof. Dr. med. Paul-Martin Holterhus
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Klinik für Kinder- u. Jugendmedizin I

Prof. Dr. med. Malte Spielmann
Universität zu Lübeck
Institut für Humangenetik

M02: Programming of transcriptional identity in response to oestrogens and androgens in developing human brain cells

In diesem Projekt werden humane induzierte pluripotente Stammzellen (hiPSCs) als Modellsystem verwendet, um die Wirkung von Geschlechtschromosomen und Geschlechtshormonen in frühen Stadien der menschlichen Gehirnentwicklung sowie während der neuronalen Differenzierung von GnRH+ Neuronen in 46,XX-, 46,XY- und Sexualhormonrezeptor-defizienten Zellen zu analysieren. Hierfür werden zwei hiPSCs verwendet, die von Patienten mit kompletter Androgeninsensitivität (CAIS) stammen und für dieses Projekt erzeugt wurden.

PD Nadine Hornig, PhD
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Institut für Humangenetik

PD Dr. med. Franz-Josef Müller
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Zentrum für integrative Psychiatrie (ZIP), Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

M03: Cardiovascular and metabolic properties, gonadal functions and steroid metabolism in mice lacking the androgen receptor or androgen production

In diesem Projekt werden die gleichen Mausmodelle (TFM und CYP17KI) wie in Projekt M01 verwendet und die postnatale Entwicklung untersucht. Außerdem wird in diesem Projekt eine umfassende Phänotypisierung von XY-Tieren mit 17α-Hydroxylasemangel oder Androgeninsensitivität zu verschiedenen Zeitpunkten während der altersabhängigen Entwicklung durchgeführt, wobei kardiovaskuläre und metabolische Eigenschaften in vivo auf Aspekte geprüft werden, in denen sie den Phänotyp von Menschen mit DSD rekapitulieren.

PD Dr. med. Isabel Frielitz-Wagner
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Universitätskinderklinik

Prof. Dr. rer. nat. Jens Mittag
Universität zu Lübeck
Institut für Endokrinologie und Diabetes

M04: Identification of novel structural and non-coding variants associated with differences of sex development

Unser Verständnis der genetischen Kontrolle der Gonadenentwicklung bleibt unvollständig, da die diagnostische Sequenzierung genetische Abweichungen nur in 30 % der Fälle von Gonadendysgenesie aufdeckt. Strukturelle Variationen oder nichtkodierende Sequenzveränderungen können die Genregulation beeinflussen und ein breites Spektrum phänotypischer Effekte verursachen. Um Karten regulatorischer Effekte von Promotor- und Enhancer-Regionen zu erzeugen, werden wir Elemente, die mit bekannten Genen für die Geschlechtsentwicklung (DSD) verbunden sind, durch Sättigungsmutagenese und Massively Parallel Reporter Assays (MPRAs) untersuchen. Darüber hinaus werden wir eine Long-Read-Genomsequenzierung für Patient*innen durchführen, die auf der Grundlage klinischer Befunde und einer nicht schlüssigen Exomanalyse ausgewählt werden. Mithilfe fortschrittlicher Computermethoden werden Strukturvarianten gesucht und nicht-kodierende sowie genregulatorische Effekte untersucht. Identifizierte nichtkodierende Varianten werden einer funktionellen Charakterisierung und einer anschließenden Analyse unterzogen.

Prof. Dr. med. Olaf Hiort
Universität zu Lübeck
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sektion Pädiatrische Endokrinologie

Prof. Dr. rer. nat. Martin Kircher
Universität zu Lübeck
Institut für Humangenetik

M05: Describing the metabolome of sex variability

In dem Projekt werden metabolische Analysen von Modellsystemen der oben genannten Projekte durchgeführt. Dafür werden Mausseren und -urin, Zellkulturüberstände und -extrakte sowie menschliche Seren und Urin hinsichtlich der Metabolitenzusammensetzung analysiert. Anschließend werden wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen untersuchen. Die Identifizierung geschlechtsspezifischer Stoffwechselwege durch den Vergleich von Proben von Personen mit DSD mit typischen männlichen und weiblichen Personen und die Kombination mit Untersuchungen an Mausmodellen der Geschlechtsentwicklung wird es uns ermöglichen, Stoffwechselveränderungen zu entschlüsseln, die durch das chromosomale Geschlecht und den Hormonstatus beeinflusst werden.

Prof. Dr. rer. nat. Karsten Seeger
Universität zu Lübeck
Institut für Chemie und Metabolomics

M06: The atlas of steroid hormones in human genital tissues by simultaneous determination of the delta-5, alternative, backdoor and 11-oxygenated C-19 metabolites

Im Rahmen dieses Projekts werden unsere bestehenden LC-MS/MS-Methoden kombiniert, deutlich erweitert und validiert für die gleichzeitige sensitive und spezifische Bestimmung definierter Steroidmetaboliten, die den klassischen, den alternativen, den Backdoor- und den 11-oxygenierten C19-Androgensytheseweg repräsentieren. Außerdem sollen die androgenen Steroidome verschiedener spezifischer, molekular definierter (mutationspositiver) Formen von XY-DSD verglichen werden.

Prof. Dr. med. Paul-Martin Holterhus
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Klinik für Kinder- u. Jugendmedizin I

Dr. rer. nat. Alexandra Kulle
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Klinik für Kinder- u. Jugendmedizin I

M07: Multi-omics analysis of sex variability

Dieses Projekt zielt darauf ab, ein besseres Verständnis der Entwicklung von Keimdrüsengewebe in einem räumlich-zeitlichen Kontext zu gewinnen. Im Rahmen der Studie werden 22 derzeit verfügbare Gonadengewebe, die 15 verschiedene DSD-Manifestationen umfassen, auf Transkriptom-, Proteom- und genetischer Ebene räumlich und zeitlich charakterisiert. Die räumlichen Informationen werden durch genetische Daten ergänzt, einschließlich struktureller und regulatorischer Variationen. Diese Informationen werden mit der Transkriptomregulierung der Hormonsignalisierung bei der Geschlechtsentwicklung aus transformierten iPSCs (von M02) und mit der von androgenabhängigen Veränderungen der Zelltypzusammensetzung bei Mäusen (von M01 und M03) sowie mit Metabolomeigenschaften (von M05) verglichen.

Prof. Dr. rer. nat. Hauke Busch
Universität zu Lübeck
Lübecker Institut für experimentelle Dermatologie

M08: Overcoming the binary of sex in genetic studies

Ziel dieses Projekts ist es, die wissenschaftliche Idee zu erforschen, dass das Geschlecht als ein Spektrum und nicht als ein binäres Konzept betrachtet werden sollte, wobei XX-weiblich und XY-männlich die Extreme darstellen. Dafür werden hormonbasierte quantitative Merkmalsscores für die Geschlechtsstratifizierung in genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) verwendet, um die Chancen zu verbessern, geschlechtsspezifische genetische Risikofaktoren für die koronare Herzkrankheit (KHK) zu ermitteln. Außerdem werden etwa 500 der 2 500 verfügbaren DNA-Proben von 46,XY DSD im Forschungslabor der Universität zu Lübeck nach dem Phänotyp ausgewählt, um genetische Loci, die mit DSD assoziiert sind, zu identifizieren und die genetische Architektur, einschließlich möglicher polygener Komponenten, zu charakterisieren.

Redouane Aherrahrou, PhD
Universität zu Lübeck
Institut für Kardiogenetik

Forschung
Universität zu Lübeck Sonderforschungsbereich Sexdiversity